Damalige und heutige Flüchtlinge berichten
Flüchtlinge vom Zweiten Weltkrieg und Flüchtlinge 2015 in einer Konversation mit unseren Schülern am Montag, den 23.11.15 (14.30 Uhr-16.00 Uhr im Fritz-Esser Haus):
Am Montag, den 23.11.15, hieß es für die Schüler der Flüchtlings-AG (geleitet durch Frau Marsch) auf in das Fritz-Esser Haus. Dort erwarteten sie „die ehemalige Flüchtige“ Frau Hübner (90 Jahre) und der 2015 geflohene Abdu aus Lybien. Eingeladen durch Herrn Fulst-Blei (SPD)-der sich auch als sehr guter Englisch-Deutsch-Übersetzer bewies- konnten wir aus erster Quelle Informationen über die Flucht von damals und heute erfahren.
Kaum zu glauben, aber auch im Jahre 1945 war das Thema Flüchtlinge sehr brisant:
Frau Hübner-vier Tage verheiratet- öffnet die Tür und plötzlich bekommt sie gesagt, sie solle schnellst möglich das Haus verlassen, denn sie befinde sich auf einer Hauptkampflinie, der Feind stehe vor der Türe, so berichtete sie uns. Der Vater sei dort geblieben um Schützengräben zu graben und auch der Mann bliebe dort, so Frau Hübner. Lediglich die Mutter und sechs Geschwister seien mitgeflohen.
Aus Schlesien machten sie sich auf nach Pavlovic, eine Stadt in Tschechien. Dort bekamen sie nach einer Woche gerade mal eine Erstverpflegung mit dem Umfang eines Brotlaibes und einer Pferdewurst. An Trinken fehlte es jedoch. Das war auch der Grund, warum bei der Zugfahrt die Mütter ihre, durch Nahrungs- und Flüssigkeitsmangel, gestorbenen Babys aus den Zügen schmissen, um keine Krankheitserreger in die Zugabteile zu bekommen. Aber, nach einer Übernachtung in der Scheune, so Frau Hübner, kratzte man sich überall, denn man hatte das erste Mal Kontakt zu Läusen, die man dann auch noch als ständige Begleiter hatte. Den Bauern in Bayern sollten sie Helfen und gegen Essen und Unterkunft mitarbeiten, dennoch wurden sie behandelt wie ein Stück Vieh. Man stellte sie auf den Marktplatz, damit die Einwohner sich die besten Arbeiter aussuchen konnten. Sie wurden beschimpft und ihnen wurden Verbrechen angehängt. War man protestantisch, dann war man in katholischen Dörfern unerwünscht. Zum Glück- so erinnert sich Frau Hübner- kamen Vater und Mann wieder, sodass ihnen mit einer richtigen Arbeit und viel Geduld, die Integration gelang. Heute sei sie froh in Deutschland zu leben, aber auch sie habe Angst und wünsche sich Frieden.
Anders sieht das Abdu aus Libyen, denn der achtunddreißigjährige wolle wieder zurück nach Libyen, in sein Heimatland, in dem seine Familie hause, so teilte er es uns mit.
Libyen ist ein reiches Land, das genug Öl besitzt. Die „Radikalen“, wie er sie nannte, nahmen ihn fest und ließen ihn erst frei (nach sieben Monaten), nachdem seine Familie ihn mit Geld auslöste. Dennoch versuchte man ihn zu erschießen, davon zeugen heute noch seine Schusswunden in Hand und Bauch. Ihm gelang es über Tunesien nach Deutschland zu fliehen, um sich dort optimal verarzten zu lassen. In Deutschland sei er gut empfangen worden, auch wenn hier alles doch so anders wäre, so Abdu. Aber er lebt, und das ist wichtig. Mit zittriger Stimme und voller Wehmut sprach Abdu über seine Familie, die er zurücklassen musste, die aber in Sicherheit ist. Sein Wunsch sei es endlich wieder Nachhause zu können und in Frieden in seinem Land leben zu können.
All dem lauschten unsere Schüler mit voller Aufmerksamkeit. Sie stellten ihre Fragen und warteten gespannt auf die Antworten. Auch sie konnten etwas mit Abdu und Frau Hübner mitfühlen.
Nach diesen Gesprächen sind sie umso mehr bemüht, ihre Projekte zur Flüchtlingshilfe durchzuführen.
Ein Dank an Herr Fulst-Blei und Frau Angelika Weinkötz (AWO Mannheim), die diesen Austausch erst möglich machten.