Gegen das Vergessen
Ausstellung des Mannheimer Fotografen und Filmemachers Luigi Toscano an den Geschwister-Scholl-Schulen in Vogelstang
Ernsthafte Mienen, selten ein Lächeln, gleißend weiße Pupillen – ausdrucksstark erscheinen die zahlreichen Gesichter, die Toscano im Laufe der Jahre mit seiner Kamera einfing und portraitierte. In dem großen breiten Gang im Erdgeschoss des langgestreckten Schulgebäudes der Geschwister-Scholl-Schulen, den sich das Gymnasium und die Realschule teilen, stehen seit Anfang der Woche inselhaft mehrere Ensembles an übergroßen und auf Leinwand gezogenen Gesichtern. Beim Vorbeigehen entsteht unweigerlich Neugier: Wer sind diese abgebildeten Personen in betagtem Alter? Wieso sind sie in der Schule? Kleine, an jedem Bild anheftende Schilder mit Text geben nähere Auskunft über das Leben und Schicksal jedes Einzelnen. Seit 2014 ist Luigi Toscano mit seiner Kamera unterwegs, um Überlebende der NS-Verfolgung zu treffen. Mehr als 500 solcher Begegnungen hatte er bereits in Deutschland, den USA, Österreich, der Ukraine, Russland, Israel, den Niederlanden, Frankreich und Belarus.
Gerne stellt Toscano seine etwa zweieinhalb Meter hohen Portraits an öffentlichen Plätzen aus, in Parks, Häusern, an Fassaden und auf Plätzen. Er möchte, dass seine Fotos den Betrachter persönlich und emotional erreichen, unabhängig von Alter, Herkunft, Sprache oder Bildung. Dies gelingt ihm mit seinen Fotos. Vor und nach der Schule und in den Pausen verweilen Schüler*innen und Lehrer*innen. Sie halten inne, lesen die kurzen Texte zu den Personen und analysieren die Gesichtsausdrücke der abgebildeten Frauen und Männer.
Dass die Ausstellung zwei Wochen an den Geschwister-Scholl-Schulen bleiben darf, ist dem Engagement von Stefanie Pins und ihrer Politik- und Debatten-Arbeitsgemeinschaft zu verdanken. Pins unterrichtet am Geschwister-Scholl-Gymnasium. 2020 ist sie mit ihren Schüler*innen im Mannheimer Capitol auf einen Film von Luigi Toscano gestoßen. Seitdem sind die Jugendlichen und ihre Lehrerin von Toscanos Projekt derart begeistert, dass es sie nicht mehr loslässt. Sie hatten zum Ziel, dass seine Bilder eines Tages im Schulhaus ausgestellt werden. Nächste Woche am Mittwoch kommt Toscano persönlich von zehn bis zwölf Uhr ins Forum der Geschwister-Scholl-Schulen zum gemeinsamen Gespräch mit Pins und von ihr geladenen Schülern*innen. Am Donnerstag, den 22. Juni von 18-21 Uhr ist er nochmals im Forum für die Öffentlichkeit zu Gast. Die Ausstellung kann jeden Tag von 8 bis 16.30 Uhr besucht werden.
Die Bilder können den Realschülern*innen und Gymnasiasten*innen auf der Vogelstang einen Impuls geben, sich für eine vielfältige und demokratische Gesellschaft einzusetzen. Zur Ausstellung gibt es einen Bildband und einen Dokumentarfilm. Allesamt wollen sie eine aktive Auseinandersetzung mit der Geschichte und den Themen Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung anregen.